Mittwoch, 12. Februar 2014

Doña María

Der Ort San José de Jáchal, kurz Jáchal genannt, ist mit etwa 21.000 Einwohnern ein wichtiges wirtschaftliches Zentrum. Er ist geprägt von Kolonialbauten und zeigt sich ziemlich grün und freundlich inmitten einer trockenen, fast wüstenartigen Landschaft.

Auch hier gab es ein Tourismusbüro, und als wir uns nach Unterkünften erkundigten, bekamen wir auch ein Prospekt mir dem wichtigsten touristischen Attraktionen ausgehändigt. Nicht aufgeführt, aber in der grafischen Gestaltung dominierend, waren schöne, bunte Webstoffe. Nico wurde neugierig, und wir gingen dort nochmal vorbei, um zu fragen, ob wir vielleicht eine Weberei besuchen könnten.

Wir hatten Glück: zufällig anwesend war ein älterer Herr (die sonstigen Angestellten dort waren wie üblich sehr jung), der von einer der wenigen verbliebenen Weberinnen wusste: Doña María Luna de Sánchez. Die wohnte praktischerweise ein paar Strassen weiter.

Wir fragen uns durch und standen bald tatsächlich vor ihrer Tür. Wir klatschten die Hände, was man hier in Ermangelung einer Klingel tut, und wurden von einem etwas mürrisch aussehenden Herrn empfangen. Auf unsere Frage wurde er aber gleich freundlich, ließ uns eintreten, und wir befanden uns im Hauptraum, der gleichzeitig als Küche, Wohn- und Esszimmer diente.

Doña María saß in ihrem Sessel, wurde aber gleich lebhaft und freue sich offenbar sehr über unseren Besuch. Sie führte uns in einen überdachten Innenhof, in dem ihr Webrahmen stand: fest einbetoniert in dem Boden, eine wackelige, einfache Konstruktion, die aber offenbar funktionstüchtig ist: ein noch nicht fertiger Stoff war dort eingespannt.





Diese Frau ist unglaublich. Sie ist 87, und sie webt immer noch heute, obwohl ihre Kinder ihr es immer wieder auszutreiben versuchen. Sie hat 10 Kinder, 6 Jungs und 4 Mädchen, und die genaue Anzahl ihrer Enkel wusste sie nicht. Alles, was sie für ihre Arbeit braucht, macht sie selbst: sie spinnt die Schafs- oder Alpakawolle, färbt sie mit unterschiedlichen Naturfarben aus bestimmten Rinden und Kräutern oder auch mit Anilin, selbst den Webrahmen hat sie selbst gebaut. Früher hat sie auch die Schafe geschoren, was sie heute angesichts ihres Alters nicht mehr kann.



Die ganze Zeit über blitzten ihre Augen mit Herzlichkeit und auch mit Stolz. Sie erzählte von ihren langen Jahren als Weberin, führte uns vor, wie sie einen Faden sponn - wer jetzt an ein herkömmliches Spinnrad denkt, irrt hier gewaltig: ein Stock, mit einem Stück Holz beschwert, und sie drehte das so geschickt, dass sich der Faden zwirbelte.

Doña María hat viele Preise gewonnen, unter anderem von der großen Exposición Rural in Buenos Aires, was so etwas wie dem Oscar entspricht. Sie bezeichnet sich als arm, wohnt für unsere Verhältnisse sehr bescheiden, aber sehr sauber und aufgeräumt, aber noch heute ist sie diejenige, die ihre Familie unterstützt. Sie hat mit ihren wunderschönen Stoffen Grundstücke und Häuser für ihre Kinder finanziert, hat sie studieren lassen, "damit sie was werden", und hat selbst noch ein größeres Grundstück, in dem sie Gemüse züchtet. Früher hat sie weiter außerhalb gewohnt, jetzt hat sie ihren Altersruhesitz in der Stadt bezogen.




Auch praktische, etwas seltsame Gegenstände bastelt sie: eine Wärmequelle gegen Muskel- oder Gelenkschmerzen, vergleichbar mit unserem Kirschkernkissen, hergestellt aus einem Guanakohuf zum Beispiel:



Ihr Haus war voller Gegenstände, die mit gewebten Stoffen bezogen waren: Kissen, Höcker, Tischdecken, alles Mögliche. Leider hatte sie nichts zu verkaufen, denn ihre gesamte Produktion geht weg wie warme Semmeln.



Nach einem langen, sehr angenehmen Besuch verabschiedete sie uns sehr herzlich mit Küsschen und Umarmung. Als Geschenk eine Tüte mit Tomaten und Zwiebeln aus eigenem Anbau. Diese bildeten die Grundlage unseres Abendessens am nächsten Abend in Calingasta :)

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